Coppermine River - 1999 - Northwest Territory / Nunavut - Canada

Überblick:

  • Länge: ca 460km vom Point Lake
  • Dauer: 21-25 Tage
  • Anzahl der Portagen: je nach Können und Wasserstand 1-7
  • Beste Jahreszeit: (abgesehen von den Moskitos) Juli-August
  • Schwierigkeitsgrad: schwer (speziell bei hohem Wasserstand) 
  • Charakter: entlegenes Flach und Wildwasser I-III
  • Anreise: per Wasserflugzeug (von Yellowknife oder Norman Wells)

Karten 1:250 000

  • 86H Point Lake
  • 86G Redrock Lake
  • 86N Dismal Lake
  • 86K Sloan River
  • 86J Hepburn River
  • 86O Coppermine

 


YELLOWKNIFE Kanada
KUGLUKTUK Kanada

1999 starteten Bernd, Jörg, Jürgen und ich eine Kanutour in die Tundra – die Befahrung des Coppermine Rivers bis an die Eismeerküste. Ein Fluss mit auch interessanten geschichtlichen Hintergründen – mehr dazu findet Ihr am Ende dieser Seite (Tag 25). Aber auch 1999 war ein wichtiger geschichtlicher Schritt – die Gründung eines neuen Territoriums – Nunavut. Hervorgegangen aus einem früheren Teil des Nordwest Territoriums haben nun die Inuits (=Menschen), wie sich die Eskimos selbst nennen, nun ein eigenes Bundesgebiet mit eigener regionaler Verwaltung zugesprochen bekommen. Ein Land, das flächenmäßig größer ist als Neufundland, die Prince Edward Inseln, Nova Scotia, New Brunswick und Quebec zusammen. Nunavut bedeutet übersetzt „unser Land“ in Inktitut, der Sprache der Inuits.

Die Flagge symbolisiert mit den Farben gold, blau und weiß die Werte von Land, Meer und Himmel. Rot ist die Referenz zu Kanada. Der „Inuksuk“ in der Mitte der Flagge stellt die Steinmonumente dar, die hier im verschneiten Norden den Menschen als Orientierungshilfe dienen und spezielle sowie heilige Plätze markieren. Der Stern ist „Niqirtsuitag“, der Polarstern – der Orientierungspunkt und Wegweiser aller Abenteurer und Seefahrer, er steht aber auch symbolisch für die Ahnen und Vorfahren die uns „leiten“.


Tourbericht:

Nach der Anreise mit Zwischenstop in Frankfurt und Edmonton landeten wir schließlich am Ufer des großen Sklavensees in der Hauptstadt des Nordwest Territoriums, Yellowknife. Über Internet haben wir bereits einen Mietwagen reserviert und wurden in der Halle schon mit den Autoschlüsseln unseres Pick-up´s erwartet. Mit dem Mietwagen ging es dann zum Visitor-Information-Center. Nun, voll ausgestattet mit Infobroschüren Informationsmaterial, Stadtplan und dergleichen, machten wir uns auf den Weg zum Fred Henne Campground um uns ein nettes Plätzchen zu suchen. Hier wurden wir bereits erwartet, von jeder Menge Moskitos – der Qual des Nordens – sie werden uns den ganzen Urlaub begleiten. Nun ging es in aller Ruhe zum Shoppen in die Stadt. Neben Paddel, Grillrost, Schwimmwesten, Regenjacken und vielem mehr wanderten natürlich auch Moskito-Hutnetze und Schutzmittel wie „Off“ und „Muskol“ in den Einkaufswagen. Davon sollte man lieber zu viel als zu wenig dabei haben.

Nach den Einkäufen schauten wir auch gleich mal bei Air-Tindi vorbei, bei Ihnen hatten wir bereits von zu Hause unseren Flug mit dem Wasserflieger gebucht. Übers Internet lassen sich so viele Dinge bereits im Vorfeld organisieren und planen, sei es die Bestellung von Kartenmaterial, Flußbeschreibungen, Reiseberichte, Wetterinfos...

Da wir mit unseren zerlegbaren Ally Canadiern wenig Platz brauchen wurde umdisponiert und wir flogen nicht wie geplant mit einer Twin-Otter, sondern mit einer einmotorigen Cesna-Caravan.

Tag 1

Von Yellowknife flogen wir nun ca. 330km Richtung Norden zu unserem Ausgangspunkt, dem Point-Lake. Dieser liegt etwa 200km südlich des Polarkreises. Schon während des Fluges viel uns auf, dass in manchen schattigen Stellen noch Schneereste liegen, denn laut den Flußbeschreibungen sind viele der Seen hier im Norden erst Ende April-Anfang Mai eisfrei. Nur als Tipp, vor dem Flug mit dem Wasserflugzeug sollte man nicht unbedingt ungesund essen, denn beim Suchen einer geeigneten Landestelle kann es durchaus vorkommen, dass sich der Pilot in extreme Schräglagen begibt, um aus dem Seitenfenster einen besseren Blick auf das Ufer zu bekommen. Nachdem alles ausgeladen war, verabschiedeten wir uns noch vom Piloten und erst als die Cesna aus unserem Blickfeld verschwunden war wurde uns klar, dass ab nun der nächstgelegene besiedelte Ort 500 Flußkilometer entfernt lag. Diese Abgeschiedenheit sollte jedem schon bei der Planung bewusst sein und speziell bei der Reiseapotheke, Sicherheits- und Rettungsausrüstung berücksichtigen. Bei der Ausfahrt vom Point Lake zum Redrock Lake blies uns heftiger Wind entgegen und auf der großen Wasserfläche bildeten sich weiter draußen große Wellen, so dass wir bei den eisigen Wassertemperaturen lieber in der Nähe des Ufers blieben. Abgesehen vom Wind herrschte gutes Wetter und beste Stimmung. Vom ersten Lagerplatz hatte man eine schöne Sicht auf die Seenlandschaft und traumhaften Sonnenuntergängen um Mitternacht!

Tag 2

Der starke Wind blieb uns erhalten und wir paddelten stetig am Ufer entlang, auch wenn man ab und zu das Gefühl hatte nicht wirklich voran zu kommen. Am Abend fanden wir einen schönen Lagerplatz auf einer Steinkuppe mit Traumaussicht auf den See. Natürlich mussten wir gleich heute unsere neu gekauften Blinker aus Yellowknife ausprobieren und tatsächlich ließ der erste Fang nicht lange auf sich warten. Seeforellen mit rosa-orangem Fleisch von den vielen Kleinkrebsen, die es in diesen Seen gibt.

Heute bekamen wir auch gleich den ersten Eindruck davon, was man in Kanada unter Moskitoschwärmen versteht. Auch wenn man mit dem Hutnetz gut gegen Stiche geschützt ist, allein das Dauersummen lässt schon Juckreiz aufkommen.

 

Tag 3

Der Redrock Lake verengt sich zusehends und es ist zum ersten Mal ein wenig Strömung zu erkennen. Lagerplätze sind sehr rar, das Wasser reicht bis in die Sträucher in der Uferböschung. Es dürfte ein hoher Wasserstand sein. An einem großen Kehrwasser fanden wir doch noch eine Stelle, wo wir die Boote auf ein erhöhtes Steinpodest heben konnten und ausreichend Platz für die Zelte oberhalb der Uferböschung fanden. Bernd gelingt hier ein sensationeller Fang einer Seeforelle.

 

Tag 4

Weiterer Paddeltag am Rocknest Lake. Das Wetter ist leider etwas schlechter geworden - bewölkt und konstant starker Wind, aber zumindest regnet es nicht. Auf dem See ist es bei diesem Wind sehr anstrengend voranzukommen. Unser Lager bauen wir zum ersten Mal mit Plane auf, um vom Wind etwas geschützt zu sein. Morgen wird ein paddelfreier Tag eingelegt.

 

Tag 5

Paddelfrei! Wir nützen den Tag zum Brotbacken und ausgiebigen Schlafen. In einem nahe gelegenen kleinen See fangen wir unsere ersten Hechte. Mit Reis und Chili zu einer leckeren kanadischen Paella verarbeitet. Den Abend genießen wir bei Sonnenschein und einem gemütlichen Lagerfeuer.

 

Tag 6

Der Rocknest Lake wird nun deutlich schmäler und es wird zum ersten Mal deutliche Strömung bemerkbar. Nun sieht man auch den hohen Wasserstand – im seichten Uferbereich schauen immer wieder Sträucher und Äste aus dem Wasser, die Vorsicht verlangen, um nicht hängen zu bleiben. Im kommenden Flußabschnitt treffen wir nun auf die ersten Wildwasserpassagen, die auch in unserer Flußbeschreibung erwähnt werden. Bei der Besichtigung der ersten Wildwasserstrecke treffen wir auf die ersten canadischen Kanuten, eine geführte Tour. Sie haben kurz zuvor die zweiten Stromschnellen besichtigt und die beiden Leiter der geführten Tour haben entschieden zum See zurück zu paddeln und die Tour abzubrechen. Sie lassen sich am Rocknest Lake wieder vom Wasserflugzeug abholen. Sie kennen die Strecke und haben unsere Vermutung bestätigt, es ist einer der höchsten Wasserstände der letzten Jahre! Die erste von diesen drei Wildwasserpassagen haben wir mit gegenseitiger Sicherung vom Ufer aus gut gemeistert, aber wir wurden trotz rückwärts paddeln förmlich durch die Wellen geschoben. Schon lange bevor wir die weißen Schaumkronen der zweiten Rapids am Horizont sahen – hörten wir bereits das laute Dröhnen der Wassermassen. Schon beim ersten Anblick vom Ufer aus wurde uns klar, diesen Bereich müssen wir umtragen. Aber wir beschlossen, da wir genug Reservetage für Portagen eingerechnet haben, die Tour fortzusetzen. Wir schlugen direkt am Beginn der zweiten Rapids unser Lager auf – ein überwältigender Anblick. Bei dieser starken Strömung nützen natürlich auch die Fische jedes Kehrwasser, um sich zu erholen und so dauerte es nicht lange, bis wir unser Abendessen aus einem dieser Kehrwasser holten.

 

Tag 7

Ausgeruht begannen wir mit unserer ersten Portage, mit 3 mal gehen hatten wir dann auch das komplette Gepäck und die Boote um die Stromschnellen getragen. Nach kurzer Paddelstrecke erreichten wir auch die dritte und letzte Etappe der Rapids. Hier mußten wir die Boote nur über eine kurze Schlüsselstelle ausräumen und drüberheben und schon ging es weiter. Kurz bevor wir eine weitere seeähnliche Passage erreichten verbreitet sich der Flusslauf auf einem kleinen Rockgarden der genaues Manövrieren verlangt, aber ansonsten nicht schwierig zu fahren ist. Da das zweimalige portagieren sowie das aus- und einräumen der Boote viel Zeit beansprucht, schlugen wir oberhalb des Rockgardens bereits wieder unser Lager auf.

 

Tag 8

Dieser Tag begann gleich mit leichtem Wildwasser – raus aus den Rockgarden, an dem wir gecampt haben. Den restlichen Tag blieb uns bei wenig Wellen die gute Strömung erhalten. Mit zum Teil zusammengebundenen Booten ließen wir uns auf dieser manchmal nur treiben und genossen die vorbeiziehende, grandiose Landschaft.

Tag 9

Kurz vor der Einmündung des Hepburn Rivers weitet sich der Fluss um kurz danach deutlich enger zu werden. Auf den nächsten 2 Kilometern sind auf der Karte mehrere, nicht benannte Stromschnellen eingezeichnet. Sie sind von geübten Paddlern durchaus zu befahren, es muss aber ständig auf große Wellen und verblockte Stellen aufgepasst werden. Auf Grund des hohen Wasserstandes und der hohen Fließgeschwindigkeit währe uns ein solcher Felsblock fast zum Verhängnis geworden. Ein breiter, runder Felsblock lag mitten in der Hauptströmung und wegen der glatten Form wurde kaum eine Welle aufgeschoben und war deshalb erst sehr spät zu sehen. Andererseits unterschätzten wir die hohe Geschwindigkeit und trotz Rückwärtspaddeln konnten wir nicht genug Weg zur Seite machen und sprangen förmlich über den Stein – die vordere Hälfte quer zur Strömung mitten in das gewaltige Kehrwasser – die hintere Hälfte noch draußen in der Hauptströmung. Nun hieß es nur noch den Kontakt zwischen Wasser und der Paddelfläche nicht zu verlieren und stützen was das Zeug hält. Und irgendwie ist es uns auch gelungen im Boot zu bleiben und im Kehrwasser zum stehen zu kommen. Seither gibt es in unserem Paddelrepertoire nicht nur den bekannten Eddieturn (Eddie=Kehrwasser) sondern auch den Eddiejump, auch wenn wir diesen nicht unbedingt wiederholen möchten. Wären wir gekentert, hätten wir eine einige hundert Meter lange Schwimmstrecke mit heftiger Strömung und großen Wellen vor uns gehabt. Bei den geringen Wassertemperaturen hier im Norden ein gefährliche Sache. Heute Abend machte sich der anstrengende Paddeltag in den Knochen bemerkbar. Glücklich über den guten Ausgang unseres Eddiejumps und müde krochen wir relativ früh in unsere Schlafsäcke.

Tag10

Ein Paddeltag ohne besondere Vorkommnisse. Der Coppermine behielt seine gute Strömung und wir kamen gut voran. Heute überquerten wir bei der Mündung des „White Sandy Rivers“ die Grenze vom NWT zum neuen Territorium der Inuits –Nunavut. Unser Lager schlugen wir kurz nach der Einmündung des Fairy Lake Rivers auf. An dieser Stelle weitet sich der Fluss über ein großes Geröllfeld, das einen bei geringem Wasserstand zum aussteigen und treideln zwingt. Das Wetter war morgens noch regnerisch, steigerte sich aber den ganzen Tag auf drückend warm und entlud sich nachts in einem lautstarken Gewitter.

 

Tag 11/12

Dieser Abschnitt ist gekennzeichnet von guter Strömung ohne erwähnenswertes Wildwasser. Tagesetappen von 30-40km können in 4-6 Stunden leicht gefahren werden, allerdings kann einem auch starker Gegenwind den Paddeltag länger als sonst vorkommen lassen. Das Fischerglück blieb uns weiterhin erhalten, Jürgen fing als Erster eine Saiblingart – Arctic Char, den besten Fisch den ich je gegessen habe, wobei die Forelle von Jörg ebenfalls köstlich schmeckte.

 

Tag 13

Heute hatten wir einen dieser beschriebenen Tage, wo man trotz guter Strömung glaubt, am Fleck zu stehen, weil einem der Wind derart entgegenbläst. Das zehrte ziemlich an den Kräften und der Motivation, als es dann auch noch zu regnen begann beschlossen wir, dem Paddeltag ein vorzeitiges Ende zu bescheren. Wir bauten unsere Zelte auf und spannten uns die Plane zwischen zwei Paddel, um zumindest einen trockenen Kochplatz zu haben. Dafür stand uns aber noch ein anderes Highlight bevor: unsere „Arctic-Circle-Party“ denn heute erreichten wir den nördlichen Polarkreis. Wir knüpften eines der Innenzelte heraus, um mehr Platz zu haben, kochten frischen Kaffee und Popcorn – im Zelt roch es wie in einem Kino. Dann wurden noch die extra dafür gekauften Cigarillos rausgeholt und der Whisky ging durch die Runde. So lässt es sich aushalten!

 

Tag 14

Ende der heutigen Etappe war „Big Bend“ eine lang gezogene Rechtskurve wo der Coppermine seine Richtung von West-Nordwest auf Nord ändert. Je nach Wasserstand sollte man hier auf Strudel und größere Pilze Ausschau halten. Jörg machte die Erfahrung, dass man in den – im Frühjahr überfluteten Buchten nicht zu lange auf der angetrockneten Kruste stehen sollte – er sank im weichen Lehm ein und plagte sich sicher eine halbe Stunde um das klebrige Zeug einigermaßen von den Stiefeln zu bekommen. Die Landschaft ändert sich nun zusehends. Es sind kaum noch Wälder zu sehen – die runden Hügel sind mit niederen Weiden und Zwergbirken bewachsen und nur ab und zu sieht man kleinere Gruppen von Nadelbäumen.

 

Tag 15

Von „Big Bend“ geht es nun Richtung Norden – den September Mountains entgegen. Das Flussbett verengt sich auf 50-60 Meter und die Uferbereiche steigen bis zu 200 Meter auf ein Hockplateu an. Auf diesem kann man anscheinend auf Caribous, Grizzlies und sogar Wölfe treffen, obwohl wir davon nichts zu Gesicht bekamen. Dafür hatten wir mit Fischen mehr Glück. Wir schlugen unser Lager direkt unterhalb des „Bigtree Rivers“ auf (obwohl dieser Fluß eher als Bach zu bezeichnen ist). Hier fingen wir im Kehrwasser des klaren Gebirgsbaches 14 Stück köstliche Äschen. Mit Salz und Knoblauch in Folie gepackt und über Glut gedünstet – ein Traum! Als wir zum Lager zurückkehrten sahen wir ein Erdhörnchen – von den Einheimischen wegen der kurzen, schrillen Rufe „Hick-Hick“ genannt – in unseren Sachen stöbern. Damit er nicht unsere wasserdichten Säcke anknabbert warf Jörg einen Stein in Richtung Lager um ihn zu vertreiben. Ohne eigentlich gezielt zu haben, traf er unbeabsichtigt genau den Hick-Hick. Nach kurzem Kopfschütteln trollte er sich - zwar benommen - aber ohne merkliche Verletzung davon, hatte aber am nächsten Tag sicher Kopfschmerzen.

Tag 16

Die Uferböschungen rückten während des Tages laufend näher und an der unruhigen Strömung erkannten wir, dass wir nicht mehr weit vom nächsten markanten Punkt – den Rocky Defile Rapids – entfernt waren. Der Eingang in die rund 50 Meter breite und 400 Meter lange Schlucht ist deutlich zu erkennen. Auch erfahrene Paddler sollten vorher rechts stehen bleiben und die Schlucht genau in Augenschein nehmen. Der mittlere Abschnitt ist mit sehr hohen Haystacks gepflastert, wobei die Größe der Wellen vom Canyonrand schlecht geschätzt werden kann. Am Ende der Schlucht macht der Flußlauf eine leichte s-Kurve in der außen hohe Wellen und innen mächtige Pilze das Befahren äußerst gefährlich machen. Nur wirklich Könner sollten sich hier – abseits jeglicher Soforthilfe – diesem Risiko aussetzen. Wir hatten unsererseits schon nach kurzem unseren Entschluss gefasst – wir umtragen am nächsten Tag den Canyon und schlugen erst mal unser Lager kurz oberhalb der Rapids auf. Das Wetter war schön, aber wir merkten doch schien die nördliche Lage und hatten unsere Hüte schon gerne gegen warme Hauben getauscht. Andererseits waren dafür die Moskitos nicht mehr ganz so lästig und zahlreich (für canadische Verhältnisse).

Tag 17

Die Portage der Rocky Defile Rapids ist am einfachsten am rechten Ufer, auf einem deutlich erkennbaren Pfad. Allerdings sind am Anfang und Ende des Canyons steile Anstiege, um den Höhenunterschied von etwa 50 Metern zu überwinden. Direkt am Wegrand stießen wir auf eine Gedenkstätte eines Paddlerpaares, das 1972 hier ums Leben kam, was unseren Beschluss zu umtragen nur bekräftigte. Etwa 5 Kilometer nach Wiedereinsetzen der Boote schlugen wir unser Lager auf und genossen den Anblick eines in der Nähe vorbeiziehenden Gewitters.

Tag 18

Im Bereich des einmündenden Kendall Rivers weitet sich der Fluss zum Teil in mehrere Arme und fließt um Inseln, Kies- und Geröllbänke. Danach geht es bei guter Strömung ohne Wellen weiter und wir genossen es wieder einmal, die Boote zusammenzuhängen und uns zum Teil nur treiben zu lassen. Am Beginn der Coppermine und September Mountains zieht der Fluss in einer großen Rechtsschleife Richtung Osten. Hier unternahmen wir eine kleine Wanderung auf einen nahe gelegenen Hügel um mal einen anderen Blickwinkel auf die Gegend zu bekommen. Der Rundblick bis zum Horizont ist überwältigend, da hier in der Tundra kein Berg den Blick in die Ferne unterbricht. Das Flachland und die kleineren Hügel sind bedeckt von verschiedensten Flechten und Moosen in Grün- und Grauschattierungen. Dazwischen glitzern unzählige kleine Seen und Tümpel, unterbrochen von kleinen Gräben und Tälern von Wasserläufen.

 

Tag 19

Zwischen den Coppermine und September Mountains zieht der Fluss nun geradewegs Richtung Osten. Nach einer kurzen S-Kurve nimmt er dann wieder seine nördliche Fließrichtung auf. Der Fluss verliert hier niemals seine gute Strömung und kleinere, auf der Karte nicht verzeichnete Wildwasserpassagen machen diesen Teil zu einem gelungenen Paddeltag.

 

Tag 20

Auf der heutigen Etappe begann die heftigste aber auch eine der schönsten Passagen des Coppermine Rivers mit den nächsten Stromschnellen – den Muskox Rapids. Bereits kurz vor der Einmündung des Burnt Creeks nimmt die Strömung deutlich zu. Da der Coppermine hier zu breit ist um mit dem Boot schnell die Uferseite zu wechseln, sollte man sich von Anfang an eher rechts halten. Der erste Abschnitt ist fahrbar, der zweite sollte aber auf jeden Fall vorher besichtigt werden. Da sich der Fluss in ein großes Becken ergießt ist mit sehr hohen Haystacks zu rechnen wo die schnelle Strömung auf das stehende Wasser aufläuft. Wir haben den 2. Teil geleint und eine Schlüsselstelle umtragen. Beim linen wurde uns das Boot kurz an die hier steinige Uferböschung mit teils sehr scharfkantigen Felsen gedrückt, was uns einen Schnitt in der Außenhaut des Bootes bescherte. Daher schlugen wir kurz unterhalb der Rapids das Lager auf und beschlossen, am nächsten Tag Pause zu machen um das Boot zu trocknen und reparieren. Im Bereich der Muskox Rapids lohnt es sich, einen kleinen Spaziergang zu machen. Mit etwas Glück findet man wie wir kleine Kupfereinschlüsse oder sogar Kupfer“nadeln“ – dünne, nadelartige Kupferablagerungen.

 

Tag 21

Heute legten wir, wie schon erwähnt eine Reparaturpause ein. Am Nachmittag nützten wir die vorhandene Zeit für ein eher zeitaufwendiges Kochprogramm und machten uns zum Kaffee köstliche Zimt-Zucker-Krapfen. Zwischendurch kam kurz ein einzelnes Caribou zu Besuch, das einzige auf dieser Tour, wie sich herausstellen sollte. Und das, obwohl es von diesen Viechern hier anscheinend wimmeln sollte!?

 

Tag 22

Gut ausgeruht ging es nur zehn Kilometer nördlich bereits in die nächsten Stromschnellen – den Sandstone Rapids. Sie werden von einem markanten rötlichen Steilufer auf der linken Seite markiert. Dieser Abschnitt sollte auch links, möglichst dicht am Steilufer befahren werden. Nach einer leichten Linkskurve kommen zwar noch einige Wellen die Vorsicht verlangen aber eher Vergnügen als Probleme bereiten. Der restliche Abschnitt von weiteren zehn Kilometern hatten wir jede Menge weiteres Wildwasser, wobei die heftigsten Wellen vermieden werden können, wenn man sich in den Kurven an der Innenseite hält. In einer dieser Kurven stießen wir auf große Eisschollen, die vermutlich noch vom letzten Eisschub im Frühjahr übrig geblieben sind. Unser Lager schlugen wir in einer der weiteren Biegungen auf und genossen unseren Abendkaffee auf einem nahe gelegenen Hügel, bis die Sonne verschwand.

 

Tag 23

…und es ging gleich munter weiter. Eine Wellensektion wechselte mit der nächsten ab, wobei die Haystacks zum Teil so groß waren, dass man im Wellental die weitere Strecke oder das andere Boot nicht mehr sehen konnte. Am Nachmittag erreichten wir „Escape Rapids“, eine lange und hohe Schlucht mit einem scharfen Linksknick am Ende. Die Portage führt am besten am rechten Ufer entlang und zieht sich nach steilem Anstieg etwa eineinhalb Kilometer am Canyon entlang. Wer sich entschließt, die Rapids zu fahren hat die Gewissheit nass zu werden, wenn nicht sogar das Boot zu verlieren. Eineinhalb bis zwei Meter hohe Wellen rollen am linken Ufer entlang und prallen dort wo der Fluss die scharfe Linksbiegung macht mit voller Wucht gegen das rechte Ufer. Diesen Wellen, denen man kaum auskommt folgt ein weiterer Felsvorsprung mit unruhigem Wasser und erst halbwegs am Ende der Schlucht erreicht man wieder ruhige Gefilde. Da die Portage doch anstrengend war, bauten wir direkt nach den Escape Rapids unser Lager auf.

 

Tag 24

Die Folgenden 7-8 Kilometer von Escape Rapids behält der Coppermine seine hohe Fließgeschwindigkeit bei und außer den hohen Geröllufern hat man oft nichts im Blickfeld weil das umliegende Land bereits so flach ist. Am Ende des Tages kamen doch wieder einige Hügel in Sicht und wir hatten das Glück, zum ersten Mal Moschus Ochsen zu sehen. Am steinigen Ufer sind auch immer öfter Eisschollen vom Frühjahr zu entdecken, auch wenn sie sich mit der Staubschicht oft nicht sonderlich von dem umgebenden Geröll abheben. Auf einem der Geröllfelder machten wir kurz Pause und uns wurde die Kraft und Größe des Flusses wieder mal richtig bewusst. Auf einer vom Frühjahr überschwemmten Fläche fanden sich Felsblöcke mit mehreren hundert Kilos und die Gesteinsmassen, die hier mit dem Schmelzwasser im Frühjahr bewegt werden, reichten nun bis an den Horizont. In diesem Geröllfeld fächert sich der Hauptstrom in viele kleine Arme auf und man muss aufpassen, um den Arm mit ausreichend Wassertiefe nicht zu verlieren – ansonsten heißt es aussteigen und schieben! Die Arme vereinigen sich wieder zu einer großen stehenden Wasserfläche direkt oberhalb des letzten Canyons. Hier schlugen wir auch unser Nachtlager auf um am nächsten Tag ausgeruht unsere letzte Portage in Angriff zu nehmen.

Tag 25

Heute passierten wir einen historischen Punkt auf unserer Reise – Bloody Falls – benannt nach einem blutigen Massaker. Die indianischen Führer und Begleiter des Forschers und Entdeckers Samuel Hearne trafen hier auf ein Lager von Eskimofamilien, die von der nahe gelegenen Mündung an die Stromschnellen zum Fischen gekommen waren. Ohne dass Hearne es verhindern hätte können, überfielen die Prärieindianer das Lager und ließen niemand am Leben. Aus kanutechnischer Sicht sind diese Stromschnellen in 2 Abschnitte gegliedert. Ein Canyon mit sehr hohen stehenden Wellen, die mit Sicherheit jedes Boot anfüllen, gefolgt von einer kurzen rechts-links Kurve, ehe das letzte und heftigste Gefälle beginnt und in über 4 Meter hohen Haystacks ein Ende findet, die in einem großen Becken langsam ausrollen. Diese Stromschnellen sollten auf jeden Fall umtragen werden, die Portage ist auf beiden Seiten möglich, auf der linken Seite findet man einen deutlich erkennbaren Trail mit schönem Blick auf den Canyon. Direkt unterhalb, wo sich die schnelle Strömung in ein großes Becken ergießt kann man wieder einsetzen und von hier sind es nur noch 10 Kilometer bis zur Mündung. Davor schlugen wir aber noch ein letztes Mal unsere Zelte auf. Die Stimmung war weniger erfreut über das erlebte (das kommt meist erst später), eher fanden wir es schade, dass wieder eine Tour kurz vor Ihrem Ende stand (auch wenn wir uns den Annehmlichkeiten der Zivilisation auch schon entgegensehnten).

 

Tag 26

Die Einmündung in das Eismeer ist kaum zu übersehen, wenn vor einem nur mehr der weite Horizont erscheint. Wir hatten ruhiges Wetter, aber bei Wind kann einem hier sicher eine ordentliche Brandung entgegenschlagen. Im Mündungsbereich sollte man sich auf jeden Fall links halten und nach ein paar hundert Metern am Polarmeer trifft man dann schon auf den „Badestrand“ (ja, den gibt es wirklich, sogar mit Bademeisterturm!) in der Nähe des Zentrums. Nun suchten wir uns eine private Pension und freuten uns wieder über Komfort wie eine warme Dusche oder einfach nur essen bei Tisch und Sessel. Zum Essen gab es selbstgemachte Burger aus Moschusochsenfleisch – eventuell vergleichbar mit Wildgeschmack – wobei uns der frische Salat und das erste Gemüse seit 4 Wochen mindestens ebenso freute. Als unser Vermieter, ein ausgewanderter Brite erfuhr, dass wir aus Österreich kommen, wollte er uns einen starken „europäischen“ Kaffee bereiten, allerdings erinnerte die Farbe in der Kanne immer noch eher an Tee als an Kaffee. Natürlich drehten wir auch eine Runde durch den Bergwerksort (genaueres findest du in Wikipedia). Voller Stolz wurde uns das damals neu errichtete Rekreation-Center gezeigt und man sah, dass sich nun mit der Gründung des eigenen Territoriums etwas bewegt. Allerdings sind das meist nur einige wenige und man darf sich nicht darüber täuschen lassen, dass es große Probleme hier im Norden gibt. Einerseits treffen hier zwei Kulturwelten auf den sowieso schon bestehenden Generationenkonflikt. Die Lebensweise der alten Generation mit und von der Natur mit Ihren wichtigen Traditionen kommt immer mehr in Vergessenheit, andererseits wird den Jungen mit den neuen Medien wie Sattelitenfernsehen und Internet die große weite Welt vor Augen geführt, die für viele einfacher und verlockender erscheint, als das Leben im Norden. Daher auch die hohe Abwanderungsrate aber andererseits auch Selbstmordrate. Da auch die Inuits vom Staat finanzielle „Entschädigung“ erhalten, fehlt vielen auch die Motivation aus eigener Kraft etwas zu bewegen und es gibt wie in vielen anderen Siedlungen des Nordens Probleme mit Alkohol und Drogen. Mit gemischten Gefühlen saßen wir in der Propellermaschine und ratterten über die Schotter-Startbahn, bis wir unseren letzten Blick aus dem Fenster auf den Coppermine warfen und wieder zurück nach Yellowknife flogen.

 

Tag 27

In Yellowknife angekommen nisteten wir uns nochmals auf dem Campground, nicht weit vom Flughafen ein und ließen am Abend unsere Tour bei ein paar kühlen Bieren in Downtown ausklingen. In der „Old-Town“ entdeckten wir am nächsten Tag noch ein uriges Lokal – Bulloks Bistro – sehr puristisches und köstliches Essen, speziell die Fischgerichte sind zu empfehlen. Alle Wände und die Decke sind zugepflastert mit Grüßen und Bildern der unzähligen Besucher. Nach ein paar Einkäufen für unsere Lieben zu Hause hieß es dann wieder mal zusammenpacken und am nächsten Morgen wieder die Heimreise über Toronto und Frankfurt antreten.